In den 160 Unternehmen, die an der Frankfurter Börse notiert sind, gab es 2023 mehr CEOs namens Christian als weibliche Vorstandsvorsitzende – ein Fakt, der deutlich macht, dass Geschlechtergerechtigkeit aus gutem Grund zu den Nachhaltigkeitszielen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zählt. Denn nur eine Gesellschaft, in der Frauen und Mädchen in all ihrer Diversität gleichberechtigt am politischen, wirtschaftlichen und öffentlichen Leben teilhaben, kann die globalen Krisen unserer Zeit bewältigen.
Als Fachstelle für Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Sachsen unterstützen wir mit unseren Angeboten für Bildungseinrichtungen die Gestaltung einer nachhaltigen und gerechten Welt in allen Lebensbereichen. Diese Angebote leisten einen wichtigen Beitrag, um der Verfestigung frauen- und queerfeindlicher Stereotype entgegenzuwirken und einen möglichst diskriminierungsarmen Raum zu schaffen, in dem sich Kinder unabhängig von den Erwartungen an ihr Geschlecht frei entfalten können. Für das Projekt Eine Welt – Deine Welt bedeutet das bei allen Unterrichtsmethoden immer wieder im Team zu überlegen: Werden in der Methode auch weibliche Perspektiven gleichwertig abgebildet? Welche Perspektiven fehlen? Welche Sichtweisen auf das Thema Geschlecht werden hier aufgezeigt? Und wie können wir unsere Methoden hinsichtlich Gendergerechtigkeit kontinuierlich weiter entwickeln?
Geschlechtergerechtigkeit im Schulalltag: Wir liefern altersgerechte Unterrichtsbeispiele
Mit 250 Unterrichtsbeispielen zum Thema BNE haben wir Nachhaltigkeitsthemen in den vergangenen Jahren auf den Lehrplan vieler Schulen in Sachsen gebracht. In Kooperation mit dem Verein Bildung für utopischen Wandel e.V. sind dabei auch mehrere Methoden entstanden, mit denen sich das Thema Gendergerechtigkeit in den Unterricht integrieren lässt.
Wie das aussehen kann, zeigt das Unterrichtsbeispiel Mein geheimer Wunsch. Dabei wird den teilnehmenden Kindern die Frage gestellt, was sie schon immer einmal tun wollten, sich aber nicht trauen, weil sie ihrem Geschlecht zugeordnet werden. Um den Kindern eine angstfreie Beantwortung der Frage zu ermöglichen, schreiben sie ihre Wünsche anonym auf Karten, die eingesammelt, gemischt und in kleinen Gruppen neu verteilt werden. Im Gespräch blicken dann alle auf die genderbasierten Hindernisse: Wo hat jemand das Gefühl, etwas nicht tun zu können? Welche Erwartungen gibt es an Geschlechter? Könnte der Wunsch erfüllt werden, wenn wir als Gesellschaft unsere Rollendefinitionen ändern? Wo können wir damit in der Klasse anfangen? Ziel der Methode ist es, die Kinder für gesellschaftliche Erwartungen an Geschlechter und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten zu sensibilisieren. Gleichzeitig erleben sie, dass mit ihren Wünschen und Ängsten nicht allein sind.
Dass Geschlechtergerechtigkeit und Frieden eng miteinander verknüpft sind, lässt sich mit einer weiteren Methode veranschaulichen. Dabei werden kurze Porträts von sozialen Bewegungen und Biografien bearbeitet, die sich früher und heute, lokal und global mit diesen Themen beschäftigen. Das Leben von Clara Zetkin ist ein gern genutztes Beispiel. Sie setzte sich für die Rechte von Arbeiterinnen ein und rief gemeinsam mit weiteren Aktivistinnen zum ersten Internationalen Frauentag auf. Um den Weg in die Gegenwart zu finden, werden den Kindern zudem Akteurinnen und Organisationen der Gegenwart vorgestellt – zum Beispiel die Mitglieder von Respect Berlin, die auch heute am 8. März für die Rechte von Migrantinnen in Europa demonstrieren.
Als internationales Beispiel dient unter anderem die südamerikanische Bewegung Ni una menos (spanisch für „nicht eine weniger“), die sich gegen sexualisierte Gewalt und Morde engagiert. Einen Blick auf genderbasierte Mehrfachdiskriminierung ermöglicht außerdem die Lebensgeschichte der Trans*Frau Marsha P. Johnson. Sie setzte sich in der Pride-Bewegung der 1960er-Jahre vor allem gegen Angriffe und Diskriminierung queerer Personen durch die Polizei ein.
Diese Beispiele vor Augen, werden im Unterricht unterschiedliche Fragen diskutiert: Wofür haben sich diese Personen und Organisationen früher und heute eingesetzt? Wie haben sie dadurch zu einer friedlicheren Welt beigetragen? Für welche Themen würdet ihr euch gern einsetzen?
Gendergerechter Unterricht – Empowerment für alle
Neben Unterrichtsinhalten spielt auch der Sprachgebrauch im Schulalltag eine wichtige Rolle beim Thema Gendergerechtigkeit, wie eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie zeigt. Eine Befragung von Grundschulkindern zu ihren Berufswünschen zeigte deutlich, dass sich Schülerinnen prototypisch männliche Berufe (z. B. Ingenieur) häufiger zutrauten, wenn im Fragebogen nicht das generische Maskulinum, sondern eine geschlechtergerechte Form (z. B. Ingenieur:innen, Ingenieurinnen und Ingenieure) angegeben wurde.
Sita Buchberger, Fachpromotorin für Globales Lernen & BNE bei arche noVa, unterstützt Bildungseinrichtungen bei der Integration von Nachhaltigkeitsthemen in den Schulalltag. Sie plädiert dafür, Gendergerechtigkeit möglichst früh als Querschnittsthema im Unterricht zu berücksichtigen:
„Kinder lernen schnell – das gilt leider auch für starre Vorstellungen von Geschlechterrollen. Bildung für nachhaltige Entwicklung hat die Aufgabe, diese Glaubenssätze zu reflektieren und Kinder darin zu unterstützen sich frei zu entfalten. Denn das Thema betrifft nicht nur Frauen und Mädchen, sondern alle in der Gesellschaft! Unterrichtsaktivitäten mit Fokus auf Gendergerechtigkeit sind dabei ein wichtiges Werkzeug.“
Mit Ihrer Unterstützung können wir Themen wie Geschlechtergerechtigkeit in Bildungseinrichtungen präsenter machen. Wir freuen uns über jede Spende!