Der Beginn des Bürgerkriegs in Syrien liegt nunmehr 13 Jahre zurück. Die Situation der Menschen, die im Dauerkrisengebiet leben, blieb in dieser Zeit größtenteils ungesehen. Mit dem Erdbeben im Februar 2023 rückte das Land kurzzeitig in den Fokus der medialen Berichterstattung, doch auch diese Aufmerksamkeit ist längst wieder verklungen. Zurück bleiben Menschen, die durch die Katastrophe und den Krieg alles verloren haben. Viele von ihnen leben in inoffiziellen Zeltsiedlungen ohne jede Infrastruktur – unter widrigsten Bedingungen und ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Überleben in den von Krieg und Erdbeben zerstörten Gebieten Syriens
In den Zeltstädten und Gemeinden, die Binnengeflüchtete aufnehmen, mangelt es dauerhaft an lebensnotwendigen Gütern – und das, was es zu kaufen gibt, ist für die meisten unerschwinglich. Denn weil die Wirtschaft in durch den anhaltenden Konflikt in Trümmern liegt und viele Industriebetriebe spätestens mit dem Erdbeben die Produktion eingestellt haben, gibt es kaum Einkommensmöglichkeiten. 12 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung, leiden Angaben der Vereinten Nationen zufolge an Lebensmittelmangel, 2,9 Millionen sind akut von Hunger bedroht. Die Verteilung von Lebensmitteln, Wasser und Hygieneartikeln ist für die Familien in den Zeltunterkünften überlebensnotwendig und eine große finanzielle Entlastung.
arche noVa ist seit 2012 in Syrien aktiv und hat in den vergangenen 10 Jahren ungefähr 250.000 Lebensmittelpakete verteilt. In Zusammenarbeit mit unseren Partnerorganisationen stellen wir Pakete mit möglichst vielseitigen und nahrhaften Lebensmitteln zusammen. Darüber hinaus verteilen wir Brotpakete an Familien (ca. 71.000 Brote à 1 kg pro Monat) und unterstützen die Gründung bzw. Wiedereröffnung kleiner traditioneller Brotbäckereien in den Siedlungen. Bisher konnten 8 Bäckereien den Betrieb aufnehmen, um die Menschen in der Region mit Brot zu versorgen.
Ein zusätzliches elektronisches Gutscheinsystem ermöglicht den Menschen außerdem das Einkaufen im lokalen Handel – und damit wenigstens ein Mindestmaß an Selbstbestimmtheit.
Brot ist das Wichtigste in unserem Haushalt. Bevor ich Unterstützung erhielt, hatte ich große Schwierigkeiten, genug Brot zu bekommen, vor allem wegen der Größe meiner Familie, der begrenzten Arbeitsmöglichkeiten auch wegen des Erdbebens, das unglaublich viel zerstört hat. Das kostenlose Brot ist von sehr guter Qualität und eine große Hilfe für uns.
Ahmed Hassan lebte bis 2019 mit seiner Familie in der Nähe von Aleppo. Weil sie vor dem Krieg fliehen mussten, ließen sie sich in Dschindires nieder. Während des Erdbebens brachen die Wände des Hauses, in dem sie lebten, über ihnen zusammen. Seitdem leben sie in einem Camp für Binnengeflüchtete.
Gegen die Perspektivlosigkeit: Schulbildung für Kinder in Nordsyrien
Eine Kindheit inmitten von Angst, Verlust und Zerstörung hinterlässt tiefe Spuren. Aufgrund der Erfahrungen, die Kinder im Dauerkrisengebiet Nordsyrien machen müssen, tragen viele von ihnen schwere Traumata in sich. Einen Alltag, wie wir ihn kennen, gibt es für sie nicht. Die Möglichkeit, zur Schule zu gehen, haben mehr als die Hälfte der Kinder in Syrien nicht. Zum einen, weil sie viel zu früh erwachsen werden und arbeiten müssen, um das Überleben ihrer Familie zu sichern. Zum anderen, weil durch Krieg und das Erdbeben ein Großteil der Schulen zerstört wurde.
Mit unserem Bildungsprojekt geben wir betroffenen Kindern aus der Region Idlib und ar-Raqqa ein Stück Normalität zurück. Sie erhalten die Möglichkeit, in einer geschützten Umgebung zu lernen und traumatische Erfahrungen zu verarbeiten. Ihr individueller Wissensstand wird dabei ebenso berücksichtigt wie ihre psychische Gesundheit. Den Unterricht gestalten spezifisch geschulte Lernbegleiterinnen und Lernbegleiter, die für die besonderen Bedürfnisse der Kinder sensibilisiert sind, sie psychosozial betreuen und aktiv den Austausch mit den Eltern suchen.
Bisher haben ungefähr 16.000 Kinder am Programm teilgenommen. Im vom Erdbeben betroffenen Nordwestsyrien konnten 85 % der Kinder im Anschluss eine reguläre Schule besuchen.
Trotz der zahlreichen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, einschließlich der katastrophalen Folgen des jüngsten Erdbebens, ist unser Engagement ungebrochen. Uns geht es um das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl der nächsten Generation.
Ein sicheres Einkommen – für ein selbstbestimmtes Leben
Im Norden Syriens sind Wirtschaft und Infrastruktur durch den Krieg und das Erdbeben weitestgehend zerstört worden – ein Umstand, der sich auf alle Lebensbereiche auswirkt. Landwirtinnen und Landwirte haben mit der Situation besonders zu kämpfen, denn sie sind beruflich vom Zugang zu Wasser abhängig. Weil die meisten Bewässerungskanäle nicht nutzbar sind und es in Syrien immer häufiger zu Dürren kommt, ist ihre Ernte in ständiger Gefahr – und damit auch die Versorgung der Bevölkerung mit überlebenswichtigen Nahrungsmitteln. Neben der Verteilung von Trinkwasser als Akutmaßnahme braucht es deshalb auch langfristig und ganzheitlich gedachte Lösungen, die die Ernährungs- und Einkommenssituation der Menschen dauerhaft verbessern.
In einem multisektoral konzipierten Projekt schaffen wir genau dafür die Basis. In den Bezirken ar-Raqqa und al-Hasakah wurden in Zusammenarbeit mit Binnengeflüchteten und den Gastgemeinden bisher 45 Kilometer an Bewässerungskanälen rehabilitiert. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit Landwirtinnen und Landwirten zusammen, um deren Existenzgrundlage zu stärken. Mit klimaangepasstem Saatgut, Setzlingen, Dünger und Kleingeräten erhalten sie die Grundlage für eine zukunftsfähige Landwirtschaft. In Schulungen zur Diversifizierung von Anbaukulturen werden zudem wichtige Informationen für eine resilientere Bewirtschaftung der Ackerflächen vermittelt. Mithilfe dieser Unterstützung können sie ihre Erträge dauerhaft steigern, was nicht nur ihre eigene Existenz sichert, sondern auch die Verfügbarkeit von Lebensmitteln in der Region verbessert.
Auch in anderen Bereichen der Wirtschaft braucht es dringend neue Perspektiven. Viele junge Menschen, die in Syrien leben, hatten während ihrer Kindheit keine Chance auf Schulbildung und sind so in die Arbeitslosigkeit geraten. Im schlimmsten Fall schließen sie sich militanten Gruppierungen an, um überhaupt an eine Geldquelle zu kommen. Mit der Errichtung von fünf Berufsausbildungszentren in ar-Raqqa und al-Hasakah bieten wir jungen Erwachsenen eine Alternative. In den Einrichtungen können sie eine Ausbildung in wirtschaftlich relevanten Sektoren wie Elektroinstallation, Schneiderei oder Solar- und Klimatechnik absolvieren. Wer sich mit seinem Handwerk selbständig machen möchte, erhält Unterstützung bei der Erstellung eines fundierten Businessplans und bei der Unternehmensgründung.
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Projektsteckbrief
- Absicherung der grundlegenden Lebensbedingungen der vom Bürgerkrieg und dem Erdbeben 2023 betroffenen Menschen
- Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche sowie psychosoziale Betreuung
- Verbesserung der Ernährungssicherheit
- Einkommensförderung insbesondere in der Landwirtschaft und für junge Menschen
Binnengeflüchtete und zurückgekehrte Menschen sowie Menschen der Gastgemeinden in Nordsyrien
- Verteilung von Lebensmittelpaketen, Brotpaketen, Hygienekits, Decken, (Winter-)Kleidung und Saatgut für Küchengärten
- Schaffung eines Zugangs zu sicherem Trinkwasser durch Rehabilitierung der WASH-Infrastruktur in Absprache mit kommunalen Instanzen
- Trinkwasserversorgung mit Tanklastwagen an inoffiziellen Siedlungen/ Notunterkünften, Verteilung von Wassertanks
- Bau von Toiletten
- Abwasserentsorgung und Abfallmanagement in inoffiziellen Siedlungen/ Notunterkünften
- Stärkung der Landwirtschaft durch Rehabilitierung der Bewässerungsinfrastruktur und Schulung zu alternativen Anbaumethoden für höhere Widerstandsfähigkeit
- Aufbau von kleinen Bäckereien in informellen Siedlungen
- Bereitstellung von Samen, Vieh, Dünger und Kleingeräten
- Unterstützung bei der Suche nach Ackerland sowie dessen Anmietung
- Sanierung von Wassernetzwerken und Durchführung von Schulungen für deren Bewirtschaftung
- Cash-for-Work-Maßnahmen beim Ausbau von Bewässerungskanälen
- Einrichtung von Berufsausbildungszentren für wirtschaftlich relevante Bereiche (z. B. Kosmetik, Nähen, Herstellung von Solarpanels, Elektroinstallation, Klimatechnik)
- Business-Workshops und Startup-Support
- Bildungsangebote für 7-15jährige Kinder in temporären Lernzentren inkl. Ausstattung mit notwendigen Materialen
- Anmietung und Ausstattung von Unterrichtsräumen
- Schulung und Beschäftigung von Lernbegleiter*innen
- psychosoziale Betreuung für Kinder und Beratungsangebote für Eltern
- BONYAN
- Takaful Al Sham
- Auswärtiges Amt
- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
- Aktion Deutschland Hilft
- Sächsische Staatskanzlei
- Knorr Bremse Global Care e.V.
- Private Spenderinnen und Spender