Wasserkrise in Nordsyrien
Jeden Tag wird unsere syrische Partnerorganisation sehnsüchtig erwartet. Das Team steuert einen Tanklaster zwischen den heruntergekommenen Zelten auf den Blechtank zu und holt den langen Schlauch hervor. Keiner der Wartenden stört sich daran, dass der Lack am Laster blättert und der arche noVa-Aufkleber auf dem Tank schief sitzt. Hauptsache das Wasser wird geliefert. Seit elf langen Jahren leben die Menschen in Syrien im Krieg. Hier im Norden des Landes ist es nach wie vor besonders unsicher. Mit bewaffneten Zwischenfällen muss jederzeit gerechnet werden. In den vergangenen Jahren wurde dabei auch die Wasserinfrastruktur erheblich beschädigt. Beobachter gehen davon aus, dass dies zum Teil gezielt geschah. Unstrittig ist, dass davon vor allem die Zivilbevölkerung betroffen ist.
Versorgung in Notunterkünften sichern
Seit 2012 ist arche noVa mit humanitärer Hilfe in Syrien im Dauereinsatz. Die Menschen in Shayaat und den anderen Einsatzorten wollen sich nicht ausmalen, was geschieht, wenn die Tanklaster nicht mehr kommen. 50 Liter Wasser pro Tag und Person haben oder nicht, ist eine Überlebensfrage. Wer kein Wasser von
Hilfsorganisationen bekommt, muss es bei kommerziellen Händlern kaufen und dafür einen Großteil seines Einkommens ausgeben. In der Not holen viele Menschen Wasser aus Flüssen oder unsicheren Bohrlöchern mit fatalen Folgen für ihre Gesundheit. Durchfall und andere wasserbedingte Krankheiten sind weit verbreitet. An unseren Projektstandorten prüft unser lokales Team deshalb regelmäßig die Wasserqualität der Lieferungen.
Wir hatten unser eigenes Land und konnten die Ernte verkaufen. Wir hatten Ziegen auf der Weide und ein Haus zum Leben. Dann kam die Flucht. Anfangs hatten wir nichts, kein Zelt, kein Essen, kein Wasser. Immer, wenn wir uns irgendwo niederlassen wollten, kamen die Landbesitzer und schickten uns weg. Jetzt leben wir hier in diesem Camp. Zum Glück werden hier die Wassertanks regelmäßig gefüllt.
Wassermangel auch wegen Dürre
In Syrien sind die Preise für Wasser in den letzten Jahren auch wegen Wassermangel gestiegen. Wasser ist insbesondere im Nordosten knapp, wo unser zweites Projektgebiet liegt. Die Region galt vor dem Krieg als Kornkammer des Landes. Inzwischen fallen immer öfter die Niederschläge aus, so dass selbst der Euphrat auf einen Bruchteil seiner ursprünglichen Größe zusammengeschrumpft ist. Mehrere Jahre Dürre und der anhaltende Krieg sind für die Menschen in Syrien eine grausame Kombination. „Wir sind am Ende unserer Kräfte“, sagt Amna Ismail, die mit ihrem Mann und vier Kindern in einem Dorf in Nordostsyrien lebt. „Unsere Schafe konnten wir nicht mehr halten, sogar unsere Bäume vertrocknen nach und nach. Aber darum kümmern wir uns nicht mehr. Jetzt geht es nur noch um Wasser für uns.“ Wenn genug Geld da ist, kauft die Familie 100 Liter beim lokalen Händler. Das reiche aber kaum, meint Amna Ismail. Häufig müsse sie die Nachbarn bitten auszuhelfen, die hätten jedoch oft selber nicht genug.
Angesichts des enormen Hilfsbedarfs erneuert unser lokales Team derzeit in dem Wohnort der Familie Ismail Wasserleitungen und repariert die Pumpstation. Dann wird der Zugang zu Wasser für alle im Dorf wieder möglich und erschwinglich sein. Auch andernorts setzt arche noVa auf diesen längerfristigen Projektansatz und stellt die Funktion kommunaler Wassersysteme wieder her und erneuert vielerorts Bewässerungskanäle für die Landwirtschaft – vorausgesetzt die Sicherheitslage lässt das zu. Da dies jedoch auch 2022 noch nicht überall der Fall ist, bleiben Wasserlieferungen mit Tanklastern existenziell wichtig und deshalb bis auf Weiteres Teil unserer humanitären Hilfe in Syrien.