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Hygienepakete sollen den Ausbruch von Covid-19 in den Flüchtlingscamps verhindern

11.06.2020 - 13:47 - Libanon
Wenn auf einer Fläche, die grade mal halb so groß ist wie Sachsen, fast doppelt so viele Menschen wohnen, klingt das nicht gerade so, als ob es besonders einfach wäre, Abstand zu halten. Zumal wenn fast jeder vierte Bewohner ein Flüchtling ist und oft schon seit Jahren in beengten Verhältnissen, überfüllten Camps oder provisorischen Unterkünften lebt. Seit vor neun Jahren der Bürgerkrieg in Syrien losbrach, ist der Libanon weltweit das Land mit der höchsten Anzahl Geflüchteter im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Außerdem hat das Land die drittgrößte Staatsverschuldung und erlebt derzeit massive innenpolitische und gesellschaftliche Spannungen. Und nun auch noch Corona.

„Die Corona-Pandemie trifft den Libanon in einer seiner schwersten Stunden überhaupt“, sagt unsere Kollegin Muriel Schockenhoff, die für arche noVa in Tripoli tätig ist. Seit letztem Oktober erlebe das Land immer wieder Antiregierungsproteste. Schon damals sind die Menschen auf die Straßen gegangen, weil die ökonomische Situation miserabel war, die Währung immer weiter an Wert verlor und die Preise gestiegen sind. Die Menschen sehen gar keine Perspektive mehr, da es mit der Wirtschaft seit dem Ausbruch des Syrienkrieges 2011 kontinuierlich bergab geht.

„Man weiß eigentlich gar nicht, wo man anfangen soll und wo man aufhören kann, um zu erklären, wie die Situation im Libanon momentan aussieht“, sagt Muriel Schockenhoff. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie seien katastrophal – und das in einem Land, das seit Jahren am Limit ist. „Man muss sich vorstellen, die Menschen hier kämpfen ums Überleben“, betont Schockenhoff. Dabei treffe die Not nicht nur die etwa 1,5 Millionen syrischen Geflüchteten, sondern längst auch die libanesischen Familien.

Corona-Krise im Libanon - Bericht von Muriel Schockenhoff

arche noVa leistet jetzt vor allem Nothilfe im Libanon, der noch immer zeitweise von totalen Lockdowns mit drakonischen Strafen bis zu 1500 Dollar betroffen ist. Da aufgrund der Ausgangssperren viele Menschen nicht mehr arbeiten dürfen oder schon vorher ihre Jobs wegen der kritischen Wirtschaftslage verloren haben, fehlt es am Nötigsten. Daher verteilt arche noVa Lebensmittelpakete an notleidende syrische, palästinensische und libanesische Familien.  Darüber hinaus gilt es, die bisher relativ geringe Anzahl von etwa 1388 registrierten Corona-Infektionsfällen und 30 ursächlichen Todesfällen weiterhin so niedrig wie möglich zu halten und auf jeden Fall eine Ausbreitung des Virus in die Flüchtlingscamps zu verhindern.

Aus diesem Grund kooperiert arche noVa bereits seit März mit dem Libanesischen Roten Kreuz, da diese Organisation ein verlässlicher lokaler Partner im Gesundheitskontext ist, über aktuellste Daten verfügt und daher sehr schnell die bedürftigsten Bevölkerungsgruppen identifizieren konnte. Demnach sind die Bedarfe besonders hoch in der Region Akkar im nördlichen Libanon. Wichtigste Strategie war es von Anfang an, durch die Verteilung von mehreren Tausend Päckchen mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln die Verbreitung des Virus‘ zu stoppen.  Jede Familie – egal ob Einheimische oder Geflüchtete - erhielt neben Seife und Handdesinfektionsmittel auch Duschgel, Shampoo, Waschpulver, Spülmittel, Schwämme und Mülltüten.

„Wir sind sehr froh, dass wir diese Hygienepäckchen bekommen haben, die kamen gerade noch rechtzeitig“, freut sich Abou Yeerob, ein syrischer Bewohner des Al-Semmakiye Camps in Akkar.

Tatsächlich ist der Fokus auf Hygieneartikel im Libanon bisher einzigartig. „arche noVa ist die einzige Organisation, die diese Art von Paketen verteilt hat. Andere Hilfsorganisationen haben nur einfache Seife und Lebensmittel – die auch dringend benötigt werden – aber so ein umfassendes Hygieneset, wie das von arche noVa, hat sonst keiner“, sagt Ghassan Hanna vom Libanesischen Roten Kreuz in Qobayat.

Und die Empfänger zeigen sich dankbar, zumal ein Großteil der Verteilung im Ramadan stattfand – einer Zeit, die traditionell davon geprägt ist, an notleidende Nächste zu denken. Unterstützung ist aber noch weit über das Ende das Fastenmonats hinaus nötig.

„Wir hoffen, dass wir eine zweite Lieferung bekommen, denn Corona ist ja noch nicht vorbei“, sagt Bilal Shamma, Verwaltungschef von Al-Semmakiye in Akkar. „Die Lieferung kam gerade zum richtigen Zeitpunkt mit den wichtigsten Hygieneartikeln, die man braucht und in ausgezeichneter Qualität. Ich habe nur Gutes von den libanesischen Hausfrauen gehört, die die Putz- und Waschmittel verwendet haben“, lobt Bilal Shamma.

Im Gegensatz zu den erfolgreichen Hygienemaßnahmen im Norden des Libanon, gestaltet sich die Situation für die Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte der mit sächsischen Steuermitteln unterstützten Schulen in der Beeka-Ebene seit Monaten ausgesprochen schwierig. „Seit Mitte März sind die Schulen aufgrund des Lockdowns geschlossen. Zwar setzen die Lehrerinnen und Lehrer den Unterricht jetzt online fort, aber damit können nicht alle erreicht werden. Denn weniger als die Hälfte der Kinder aus Flüchtlingsfamilien hat ein Smartphone und noch weniger besitzen einen Computer“, berichtet unser Nahost-Referent Wolfram Lorenz. Die Lehrkräfte, die in unserem Projekt auch mit Geldern aus Sachsen finanziert werden, sind aber kreativ und bemühen sich, mit allen technischen Möglickeiten virtuell einen sehr intensiven Kontakt mit ihren Klassen zu halten – soweit das mit Ausgangssperre und Isolationsmaßnahmen möglich ist.

Damit das Bildungsdefizit – das bei vielen Kindern aufgrund von Flucht und schwieriger Lebensverhältnisse sowieso schon groß ist – nicht unverhältnismäßig wächst, sei das libanesische Bildungsministerium sehr aufmerksam. Auch wenn die Schulen vor dem Sommer nicht mehr öffnen  werden, soll stattdessen landesweit der digitale Fernunterricht ausgebaut und eventuell die Unterrichtswoche auf sechs Tage verlängert werden. Was ab September, wenn die Schule auch in der Beeka-Ebene endlich wieder starten soll, aber auf jeden Fall in den Klassenzimmern vorhanden sein wird, sind Desinfektionsspender, Gesichtsmasken und Infobroschüren über das Corona-Virus. Dafür sorgt arche noVa auch dank der erneuten Förderung durch die Sächsische Staatskanzlei. Das Schulprojekt in Beeka wird seit 2017 mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts.

Die richtigen Hygienemaßnahmen zu kennen und im Alltag einzuüben ist auch für die von uns unterstützten Schülerinnen und Schüler wichtig, gerade in der jetzigen Zeit, um Infektionen vorzubeugen und gesund zu bleiben

Wolfram Lorenz - Referent Auslandsprogramme

Und solange der Bürgerkrieg in Syrien nicht vorbei und die Gefahr des Corona-Virus nicht gebannt ist, ist weiterhin Hilfe für die Menschen im Libanon nötig.

„Ich möchte sagen, dass ich mich freue, dass es in Deutschland Menschen gibt, die sich für andere Länder interessieren und die über den eigenen nationalen Tellerrand hinausblicken. Besonders in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass wir den Fokus nicht verlieren und uns vielleicht auch wieder rückbesinnen können. Und dass wir ob all der Einschränkungen, vielleicht auch die sozialen Werte wieder höher schätzen lernen und versuchen, diese Wertesystem auch unter widrigen Umständen zu verteidigen“, betont unsere Kollegin Muriel Schockenhoff.

Wenn Sie die Arbeit von arche noVa im Libanon unterstützen möchten, können Sie hier spenden.

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