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Hochwasserhilfe weiterhin notwendig

28.06.2022 - 12:04 - Deutschland
Vor knapp einem Jahr hat ein Hochwasser in Westdeutschland für große Zerstörungen gesorgt. Dank der darauffolgenden Welle der Solidarität konnte arche noVa mit Soforthilfemaßnahmen und Wiederaufbauhilfe in der betroffenen Region Unterstützung leisten. Die Bestandsaufnahme ein Jahr nach der Katastrophe zeigt: Die Hilfe hat bereits viel bewirkt. Doch die Folgen des Hochwassers sind noch immer präsent. Unterstützung ist weiterhin notwendig.

Wenn Duygu Ulfig im Lebensmittellager der Interessengemeinschaft Mühle für Stolberg steht und die vollen Regale betrachtet, wird klar, dass die Katastrophe noch nicht vorbei ist. „Diese Vorräte werden innerhalb weniger Tage alle an Bedürftige verteilt sein“, sagt sie und zeigt auf Büchsen mit Erbsen und Möhren, auf Gebinde mit Mineralwasser und weitere Grundnahrungsmittel, die sich bis an die Decke stapeln. Ihr Verein zeigt exemplarisch, was viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer in den vom Hochwasser betroffenen Orten geleistet haben. Wie unglaublich heftig die Wucht der Katastrophe war. Und wie viel noch immer zu tun ist.

Stolberg: Die Nähe zum Wasser wurde zum Verhängnis

Die rheinländische Stadt Stolberg wurde besonders stark vom Hochwasser getroffen. In einer engen Talsohle gelegen, schmiegt sich die langgezogene Innenstadt über mehrere Kilometer an den Vichtbach, der Stolberg von Süden nach Norden durchfließt. Diese Nähe wurde der Stadt am 14. Juli 2021 zum Verhängnis. Das Hochwasser setzte die gesamte Innenstadt unter Wasser. Beinahe alle Verkaufslokale wurden zerstört, die darüber liegenden Wohnungen unbewohnbar. Viele Menschen verloren alles, was sie an Hab und Gut besaßen. Besonders betroffen war der am unteren Flusslauf gelegene Stadtteil Mühle. Bereits vor dem Hochwasser lebten hier viele sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen. Nach der Katastrophe standen die Betroffenen vor dem Nichts. Ohne finanzielle Reserven konnten sie nirgendwo hin. Die tägliche Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wurde zum zentralen Problem, nicht zuletzt, weil die Stromversorgung zusammengebrochen war und das Hochwasser auch soziale Einrichtungen wie die Tafel getroffen hatte. Viele Menschen fühlten sich zudem von den Behörden im Stich gelassen. „Am dritten Tag hat es hier ausgesehen wie am ersten. Die Soforthilfe kam nur im touristischen und wohlhabenderen Oberstolberg an“, erinnert sich Duygu Ulfig. 

IG Mühle für Stolberg: Betroffene helfen sich selbst

Gemeinsam mit ihrem Ehemann Enrique und einer Gruppe ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer aus dem Viertel beschloss Duygu Ulfig in dieser Situation, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Die Gruppe begann, das Viertel zu säubern und organisierte Sachspenden, um die betroffenen Menschen mit den wichtigsten Hilfsgütern zu versorgen. Die Initiative gewann schnell an Fahrt. Immer mehr Menschen begannen sich zu engagieren, organisierten Aktionen für die Betroffenen wie den großen Weihnachtsmarkt, um zumindest ein Stück Freude in den Alltag zurück zu bringen. Durch die Gründung des Vereins IG Mühle für Stolberg und den Aufbau von Bürocontainern auf einem städtischen Parkplatz wurden zudem immer professionellere Strukturen geschaffen zur Versorgung der Betroffenen. Zusätzlich zu den Lebensmittelverteilungen finden hier mittlerweile auch drei Mal in der Woche psychologische Beratungsangebote statt. Denn nebst den materiellen Schäden kämpfen viele Menschen auch mit psychischen Langzeitfolgen. „Viele haben Angst“, sagt Duygu Ulfig. „Panik vor Starkregen etwa. Und Angst vor dem Einkaufen, da das Geld fehlt.“ 

Lebensmittelverteilungen noch immer wichtig

Gerade die gestiegenen Preise als Folge des Ukraine-Kriegs kommen derzeit für viele Betroffene als zusätzliches Problem dazu. Die Lebensmittelverteilungen sind deshalb noch immer ein wichtiges Angebot. arche noVa konnte dabei mit dem Hochwasserprojekt wichtige Unterstützung leisten. Durch die Finanzierung eines Lieferwagens als Soforthilfemaßnahme ermöglichten wir nicht nur den Transport dringend benötigter Sachspenden, sondern brachten beispielsweise auch betroffenen Kindern ein Stück Normalität zurück. Denn das Fahrzeug ist nicht nur ein Lieferwagen, sondern hat auch Sitze. „Damit können wir betroffenen Kindern als Ablenkung wieder einen Ausflug aus der Stadt ermöglichen“, sagt Duygu Ulfig. Für die Zukunft hat sie zudem zahlreiche weitere Pläne. „Wir müssen den Respekt und Zusammenhalt, der durch das Hochwasser entstanden ist, weitertragen“, sagt Ulfig. Um die Berührungsängste der verschiedenen Gruppen im Viertel abzubauen und das Viertel vorwärtszubringen, plant sie etwa regelmäßige Bürger*innenversammlungen, in der Bürger*innen, Unternehmer*innen, Vereine, Mieter*innen und Vermieter*innen zusammenkommen, um gemeinsam Herausforderungen in der Gemeinde zu erkennen und Lösungen zu finden. Sie appelliert zudem auch an die Öffentlichkeit, die vom Hochwasser betroffenen Regionen nicht zu vergessen. "Die betroffenen Bürgerinnen und Bürger benötigen noch lange Hilfe, denn der Wiederaufbau kostet enorm viel Zeit und Geld", sagt Ulfig. Aufgrund des knappen Angebotes und steigender Preise seien aber insbesondere Sachspenden immer schwieriger zu bekommen. "Sei es in Form von Baustoffspenden oder Lebensmitteln - wir können weiterhin jede Hilfe gebrauchen", so Ulfig.

Viele betroffene Wohnungen erst jetzt wieder bezugsbereit

Wie viele Herausforderungen die betroffenen Menschen ein Jahr nach dem Hochwasser noch zu meistern haben, zeigt auch ein Besuch beim WABe e.V. Der Verein betrieb vor dem 14. Juli 2021 drei Sozialkaufhäuser in Stolberg, in denen benachteiligte Menschen oft die einzige Möglichkeit fanden, Mobiliar für ihre Wohnung zu kaufen. Doch das Hochwasser hat auch den Verein stark getroffen. „Bei uns wurde alles zerstört“, sagt Ralph Kreitz vom WABe e.V. Sowohl die Kaufhäuser als auch die Büroräumlichkeiten, die alle im Erdgeschoss untergebracht waren, standen unter Wasser. Damit fiel der Verein genau dann aus, als er besonders dringend gebraucht wurde. Nicht nur, dass man den betroffenen Menschen in Stolberg seine Dienstleistungen nicht mehr anbieten konnte, auch das eigene Team war extrem verunsichert. In den Sozialkaufhäusern arbeiten viele Angestellte mit Beeinträchtigungen – zu Spitzenzeiten bis zu 100 Menschen. „Die Teilnehmer hatten Angst vor dem Arbeitsplatzverlust“, sagt Kreitz. Denn dieser hätte zugleich auch den Verlust von Sicherheit und Routine in ihrem Alltag bedeutet. Auch für diesen Verein konnte arche noVa Soforthilfe leisten. Durch finanzielle Unterstützung beim Erwerb eines Lieferwagens war der WABe e.V. schon kurze Zeit nach der Katastrophe wieder in der Lage, Möbeltransporte durchzuführen. Die Bedeutung dieser Transporte ist für Betroffene noch immer groß. Aufgrund der langen Trocknungsphase nach dem Hochwasser können viele Wohnungen erst jetzt nach und nach wieder bezogen werden, die Anfragen nehmen zu. Die Transporte kommen zudem auch vielen Geflüchteten aus der Ukraine zugute, die angewiesen sind auf Unterstützung beim Erwerb und Transport einer Erstausstattung.

arche noVa weiterhin mit Wiederaufbauhilfe vor Ort präsent

Auch in anderen vom Hochwasser betroffenen Orten sind die Folgen der Katastrophe noch präsent. Im wenige Kilometer entfernten Eschweiler dauerte es beispielsweise über ein halbes Jahr, bis die vom Hochwasser komplett zerstörte Kita Kinderburg an einem Ausweichstandort wieder den Betrieb aufnehmen konnte. Und noch immer sind in den neuen Kita-Räumlichkeiten Baumaßnahmen nötig. Das gilt auch für viele andere Gebäude in dem Ort. Außerdem warten viele Betroffene aufgrund bürokratischer Hürden weiterhin auf Versicherungsgelder und die Sanierung ihrer Häuser. Auch im Zentrum von Bad Münstereifel, das von der Erft stark zerstört wurde, dauern die Bauarbeiten noch immer an. Und auch hier gibt es Familien, die erst jetzt, also ein Jahr nach der Katastrophe, wieder zu Hause einziehen können. Das ganze Ausmaß der Katastrophenfolgen wird erst jetzt sichtbar. Das gilt sowohl für fast jeden Einzelfall und erst recht für die gesellschaftlichen Strukturen im Ganzen. Denn vielen gemeinnützigen Einrichtungen, die das gemeinschaftliche Leben überhaupt erst ermöglichen, fehlt das Geld, um bei Projekten selber die Eigenanteile der staatlichen Hilfen zu stemmen. Hier, aber auch in zahlreichen weiteren Orten wird arche noVa mit der Wiederaufbauhilfe die Betroffenen weiterhin unterstützen.

Die Hochwasserhilfe von arche noVa in Zahlen*

  • Direkt nach dem Hochwasser hat arche noVa mit rund 120.000 Euro Soforthilfe geleistet. Dies beinhaltete etwa die Lieferung von Bautrocknern und Hygienekits für die unmittelbar vom Hochwasser betroffenen Menschen im Katastrophengebiet
  • Mit 12 gemeinnützigen Einrichtungen hat arche noVa bereits Verträge abgeschlossen für Wiederaufbauhilfe im Umfang von rund 327.000 Euro
  • Zusätzliche sind bereits 8 weitere Projekte im Umfang von 424.000 Euro geplant, beziehungsweise stehen kurz vor der Vertragsunterzeichnung

Wir bedanken uns herzlich für die große Solidarität und die zahlreichen Spenden, die uns nach der Hochwasserkatastrophe erreicht haben. Dank Ihrer Unterstützung konnten wir nach der Katastrophe rasch und effizient Soforthilfe leisten. Ihre Spende ermöglicht uns zudem, auch weiterhin sicherzustellen, dass die nach wie vor großen Bedarfe gedeckt werden und die Mittel für den Wiederaufbau nachhaltig am richtigen Ort ankommen. (*Stand August 2022)

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