„Wir sehen so viel Not, wir wissen oft gar nicht, wo wir zuerst helfen sollen“, berichtet Jyana vom lokalen arche noVa-Team in Idlib. arche noVa ist eine der wenigen humanitären Organisationen, die überhaupt noch in der Krisenregion tätig ist. Mit 21 Syrerinnen und Syrern, alle selbst Geflüchtete, kümmern wir uns darum, dass täglich mehr als 3.000 Brotbeutel und 225.000 Liter Wasser verteilt werden. Einmal im Monat bekommen bedürftige Familien ein Lebensmittelpaket und ein Hygieneset. Außerdem werden Toiletten gebaut, Müll entsorgt und Klärgruben ausgepumpt. Der Nothilfeeinsatz von arche noVa ist dank der finanziellen Förderung des Auswärtigen Amtes möglich.
Und trotz der dramatischen Umstände schaffen es die Helferinnen und Helfer von arche noVa manchmal sogar, ein Lächeln auf die Lippen der Betroffenen zu zaubern. „Neulich hat sich eine alte Dame bei mir bedankt, dass wir das Latrinenhäuschen gebaut haben – jetzt kann sie endlich ein bisschen im Schatten sitzen“, erzählt Mohammad von unserem Team in Idlib, wo es tagsüber derzeit über 40 Grad heiß ist.
Ursprünglich war die Hilfsaktion in der Region auf 103.000 Menschen ausgelegt. Aufgrund von neuen Bombenangriffen im Süden von Idlib werden derzeit aber etwa 30 Prozent mehr Menschen versorgt – und selbst das ist viel zu wenig.
„Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber unser Team in Idlib ist unglaublich engagiert und tut, was es kann“, sagt Karin Uckrow. Unsere Dresdner Nahost-Referentin hält engen Kontakt zum Helferteam vor Ort. Via Skype berichtet Jyana, dass kürzlich, bei einer Verteilaktion in einem Dorf, hundert Meter weiter etwas explodierte. „Ich habe mich furchtbar erschrocken und wäre am liebsten sofort davon gefahren“, sagt sie. Aber die Menschen im Dorf hätten sie beruhigt, sie solle sich keine Sorgen machen, es sei doch niemandem etwas passiert, also könne sie doch mit der Lebensmittelverteilung fortfahren - das sei jetzt am wichtigsten. Auch für Jyana. Die ehemalige Englischlehrerin aus Aleppo weiß, wie es sich anfühlt, ausgebombt zu werden. Sie selbst ist – ebenso wie das arche noVa-Büro - in den vergangenen drei Jahren mehrfach umgezogen und weiß nie genau, wie lange sie mit ihrer Familie an dem Ort bleiben kann, wo sie gerade ist.
Ihr Kollege Mohammad, der WASH-Experte im Syrienteam, ist gerade in den Norden von Idlib gezogen, da das Zuhause seiner Familie im Süden der Region vor gut zwei Wochen von schweren Geschossen zerstört wurde. „Wir wissen genau, was die Binnenflüchtlinge am meisten brauchen – denn wir sind alle in der gleichen Situation“, erzählt der 32-jährige Maschinenbauingenieur. Mit dem Unterschied, dass sie als Mitarbeitende von arche noVa Arbeit haben und damit für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen können. Ein Großteil der Geflüchteten hat schon vor Jahren alles verloren und ist auf Hilfe angewiesen. Ebenso wie viele Einheimische in Idlib, die die Folgen des Krieges gerade wieder extrem zu spüren bekommen.
Die Provinz an der Grenze zur Türkei gilt als der letzte Rückzugsort der Regimegegner, etwa drei Millionen Menschen leben hier, ungefähr die Hälfte davon Geflüchtete aus allen Teilen Syriens. Die eigentlich seit September letzten Jahres herrschende Waffenruhe wurde im April ausgesetzt. Seitdem bombardieren Assads Truppen die Region um Idlib massiv und schrecken auch vor Wohngebieten, Schulen und Krankenhäusern nicht zurück. „Wenn wir davon sprechen, dass es sicher ist, meinen wir, dass nicht jeden Tag Bomben fallen“, erzählen uns die Kollegen aus Syrien. Und Diab, der Sicherheitsbeauftrage im arche noVa-Team ergänzt, dass im Vergleich zum Süden der Region der Norden Idlibs vergleichsweise friedlich sei – was aber auch dazu führt, dass immer mehr Menschen in der ohnehin überfüllten Gegend Schutz suchen. Laut UN kamen allein im Juni mehr als 80.000 Menschen in die Grenzregion.
„Es ist ein Albtraum, die Menschen sind total verzweifelt. Die meisten sind seit Jahren auf der Flucht, jetzt werden sie immer mehr in die Enge getrieben und wissen weder wohin, noch sich zu helfen“, klagt unsere Nahost-Referentin Karin Uckrow. Sie hofft auf zusätzliche Fördermittel und Spenden, um wenigstens die schlimmste Not lindern zu helfen.
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